Wann kommt die Zeit, reinen Tisch zu machen?
Im Gespräch mit Asta-Maria - Die Bestatterin.
Bestatter üben, laut dem Großen Lexikon der Bestattungs- und Friedhofskultur. Wörterbuch zu Sepulkralkultur aus dem Haymarket Media Verlag, den Dienstleistungsberuf aus, einen Verstorbenen auf den Friedhof zu bringen.
Ist diese Definition zeitgemäß? Wir erleben, wie sich unsere Abschiedskultur wandelt.
Neben der Überführung von toten Menschen an ihren „letzten“ Ort auf Erden sind Mitarbeitende von Bestattungsunternehmen Begleiter, Trostspender, Auffangbecken für Hinterbliebenen, die sich kümmern.
Sie sind vor allem eins – den trauernden Menschen nah. Und diese Menschen bleiben zurück – mit all den Dingen, die Verstorbene besessen haben. Im Rahmen der Erbschaft gilt es für jedes einzelne Ding über dessen Verbleib zu entscheiden. Death Cleaning.
Ich bin mit Asta Maria – Die Bestatterin aus Berlin im Austausch. Wir kennen uns über das Netzwerk Bohana.
Ich möchte von ihr wissen, wie sie Menschen wahrnimmt, die akut jemanden durch Tod verloren haben. Und wie sie diese mit den hinterlassenen Dingen vorfindet.
Bettina: Asta Maria, als Bestatterin zeichnet dich aus, dass du trauernde Menschen über den Beisetzungstag hinaus begleitest. Hinterbliebene bleiben mit den Dingen der Verstorbenen in deren Wohnung zurück. Wann meinst du, kommt der passende Zeitpunkt, um in der Wohnung Ordnung zu schaffen?
Asta Maria: Hm, ich denke, dass das gar nicht so pauschal zu beantworten ist. Denn es gibt Menschen, die einen Sterbenden pflegen und sich währenddessen schon seiner Sachen entledigen, rein praktisch sozusagen - damit danach nicht alles getan werden muss.
Zu einer weiteren Gruppe gehörte meine Omi: Sie gab in ihren letzten Jahren alles weg, was sie nicht unbedingt brauchte und nannte zwei Gründe - einmal, noch „mit warmen Händen“ zu geben und dann, damit wir nach ihrem Tod nicht unnütz viel Arbeit haben. Richtig bemerkt haben wir es tatsächlich erst hinterher: Die Schränke und Schubladen fast leer, und alles sah karg und ärmlich aus.
Schließlich gibt es die, die sofort nach der Abholung des Verstorbenen alles aus den Schränken reißen, in Tüten stopfen und entsorgen. Nicht nur Kleidung, sondern gleich alles, was der verstorbenen Person gehörte. Es ist, als ob sie damit den Tod aus der Wohnung scheuchen wollen. Die Übersprungshandlung ist ebenfalls verständlich, aber ich denke, dass es sie irgendwann reuen wird – nicht mal einen Pullover oder anderes Andenken behalten zu haben.
Nicht zuletzt gibt es diejenigen, die beschließen, dass alles so bleiben soll, wie es ist. Und hier geht es in zwei Richtungen: Das Zimmer des Verstorbenen wird zugeschlossen und auf Jahre nicht mehr betreten. Oder man geht ab und zu hinein, sitzt oder liegt dort, hängt seinen Gedanken nach und fühlt sich dem Mann, der Mutter, dem Kind nahe.
Ich weiß nicht, wann der passende Zeitpunkt ist. Es kommt sicher auch darauf an, ob die Wohnung aufgelöst werden muss oder ob noch jemand in der Wohnung lebt und eben auch den Platz dafür hat oder vielleicht Platz für einen Untermieter schaffen muss.
Bettina: Woran erkennst du, wenn sich jemand schwer damit tut, mit dem Räumen anzufangen?
Asta Maria: Am ehesten ist es zu sehen, wenn ich nach der Beisetzung nochmal in die Wohnung komme, und es sind eben sechs Wochen oder zwei Monate oder mehr seit dem Sterbetag vergangen, und alles ist unverändert. Manchmal ist dann noch ein kleiner Altar hinzugekommen mit Foto und Blumen und Kerzen.
Es kommt sicher auch auf den Typ an: Ob man sich generell schwer von Sachen trennen kann oder ob es einem schon immer leichtfiel.
Manchmal wird dann auch gesagt: Eigentlich müsste ich mal anfangen, was wegzugeben, aber irgendwie schaffe ich es nicht. Hier wäre vermutlich Unterstützung gut.
Bettina: Du beschreibst so schön, dass wenn jemand gestorben ist, nicht nur etwas endet, sondern für die Hinterbliebenen etwas Neues beginnt. Was braucht es deiner Meinung nach, um gut sortiert wieder durchzustarten?
Asta Maria: Sicher eine bewusste Überlegung: Wie möchte ich weiterleben? Was brauche ich rein räumlich dazu? Welche Dinge sollen mich weiter begleiten? Wovon kann ich mich verabschieden? Diese Fragen lassen sich am besten in einem Gespräch klären. Man kann die Gedanken dazu offen fließen lassen und muss ja nicht gleich eine Entscheidung treffen. Aber das Thema wird in einem arbeiten und sich herauskristallisieren, was nötig ist für einen neuen Lebensabschnitt, wieviel man vom vergangenen Abschnitt mitnehmen möchte.
Bettina: Liebe Asta Maria, herzlichen Dank, dass du mich und alle, die diese Zeilen lesen, an deinen Erfahrungen teilhaben lässt!
Und was denkst du jetzt? Vielleicht hast du dich bereits selbst in der Situation befunden und Dinge geregelt. Vielleicht wirst du mit deinen Erfahrungen heute etwas anders machen oder du fühlst dich gut damit, wie du die Krise gemeistert hast.
Denkst du darüber nach, was du anderen hinterlassen möchtest? Wann kommt für dich der beste Zeitpunkt, Ordnung in dein Leben zu bringen?
Bereits wenn du dich mit dieser Frage auseinandersetzt, fängst du an, zu sortieren. Sorge vor, letztendlich bist du die Person, die Entscheidungen trifft.
Und melde dich bei mir, wenn ich dich dabei unterstützen darf.
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